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Bewahrer der Sprache

Die aramäische Sprache in der jüdischen Tradition vom 5. Jh. v. Chr. bis heute

Aramäisch begegnet uns als wichtige Sprache an der Wurzel der drei großen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Sie findet sich in Teilen des christlichen Alten Testaments, in der jüdischen Tora und im Talmud und es war die Sprache, in der erste Grundlagen des Islam niedergeschrieben wurden.
Einen besonderen Platz hat die aramäische Sprache in der jüdischen Tradition, die als  Träger und Bewahrer des Aramäischen über 2500 Jahre - vom 6. Jh. v. Chr. bis heute- gelten kann. Die Juden nahmen das Aramäische (Reichsaramäisch) in der Babylonischen Gefangenschaft auf und sie sprachen und schrieben es als Untertanen des Achämenidischen Reiches, wie in Elephantine in Ägypten gefundene Papyri der dortigen jüdischen Gemeinde aus dem 5. Jh. v.Chr. belegen ).

Es wurde zu ihrer Hauptsprache, als Aramäisch in seiner mittelaramäischen Ausprägung die Volkssprache des vorderen und mittleren Orients war - vom 3. Jh. v.Chr. bis ins 2. Jh. n.Chr. Die hebräischen Texte der Liturgie mussten für die Gläubigen ins Aramäische übersetzt werden. In dieser Zeit wurden die fünf Bücher Mose, die gemeinsam als Tora den ersten Hauptteil der Hebräischen Bibel bilden, ins Aramäische übersetzt. Als Targum Onkelos hat diese schriftliche Übersetzung offizielle Geltung erlangt. Dadurch ist Aramäisch tief in der jüdischen Tradition verwurzelt.

Die hebräische  Bibel wurde etwa 440 v. Chr. fertig gestellt und ab etwa 250 v. Chr. aus dem Althebräischen in die aramäische Sprache übersetzt (Targum). Als Targum Onkelos hat diese Übersetzung schon früh im Judentum offizielle Geltung erlangt. Der Basistext stammt wahrscheinlich aus dem 2. Jahrhundert. Der Hintergrund für diese Übersetzung: Als in Palästina ab dem 3.Jh. v. Chr. die hebräische Sprache als Volkssprache durch die aramäische abgelöst wurde, entstand zu den Gottesdiensten das Problem, dass die Menschen die hebräischen Texte nicht mehr verstanden. Man setzte deshalb Dolmetscher ein, die mündlich aus dem Hebräischen teilweise sehr frei ins Aramäische übersetzten. Später wollte man präzisere Übertragungen aufzeichnen und schuf dazu die Targumim.

Bis heute enthält die hebräische Bibel eine aramäische Übersetzung, die in hebräischer Schrift links neben den hebräischen Text gesetzt ist. Der Talmud enthält neben der hebräischen Mishna (erste schriftliche Fassung der mündlichen jüdischen Überlieferungen) die in Aramäisch verfasste Gemara, d.h. die Auslegung und Erläuterung der Mishna-Texte.
Vor allem orthodoxe Juden sprechen einen Teil ihrer Gebete nach wie vor in Aramäisch. Auch die Sprache mancher jüdischen Feste ist noch heute Aramäisch. So findet das Hochzeitsritual in aramäischer Sprache statt.

Dokumente:

I. Drei Aramäische Handschriften auf Papyrus in Reichsaramäisch aus Ägypten (Zeitraum 5. Jh. v. Chr.) aus Beständen des Ägyptischen Museums und Papyrussammlung

Sie sind Beispiele dafür, wie weit verbreitet und tief verwurzelt der Gebrauch des Aramäischen in Ägypten unter der achämenidischen Herrschaft war. Hier wurde es durch den persischen Statthalter und seinen Stab, durch die große jüdische Gemeinde von Elephantine / Syene (das heutige Assuan) und durch „Normalbürger“ (zweifellos Auswanderer nach Ägypten) in ihrer Familienkorrespondenz regelmäßig gebraucht.

1. Aramäische Übersetzung der Behistun Inschrift Darius I. von 421 v. Chr. in Reichsaramäisch

Darstellung seiner Machtergreifung und seiner Siege – die vorliegende Übersetzung ins Aramäische und die Vervielfältigung auf Papyrus diente Propagandazwecken. - P 13447

Aramäische Übersetzung der Behistun Inschrift Darius I. von 421 v. Chr. in Reichsaramäisch
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2. Sog. Ahiqar-Roman in Reichsaramäisch aus dem 5. Jh. v. Chr.

Ältestes noch erhaltenes Zeugnis der antiken aramäischen Literatur mit Lebensweisheiten in Form von Sprichwörtern bis hin zu Fabeln, eingebettet in die Erzählung vom weisen Ahiqar.- P 13446

Sog. Ahiqar-Roman in Reichsaramäisch aus dem 5. Jh. v. Chr.
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3. Brief der jüdischen Gemeinde in Syene in Reichsaramäisch vom 25.11.407 v.Chr.

Offizielle Anfrage an den achämenidischen Statthalter in Judäa, ob der 410 v.Chr. bei Aufständen gegen die achämenidische Herrschaft zerstörte Tempel wieder aufgebaut werden kann. - P 13495

Brief der jüdischen Gemeinde in Syene in Reichsaramäisch vom 25.11.407 v.Chr.v. Chr.
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II. Die jüdische Bibel (hier die sog. „Rösel“-Bibel), der Talmud (hier der sog. Survivors´ Talmud) und  eine Ausgabe des Buches Zohar  aus Beständen der Staatsbibliothek-PK

1. Sog. „Rösel“-Bibel, eine aschkenasische Bibel-Prachthandschrift aus dem 14. Jahrhundert. Sie kam 1692 als „Geschenk der Rösel - Frau des Benjamin Neumark“ an die Hofbibliothek des Großen Kurfürsten, die heutige Staatsbibliothek. Die Bibel enthält den vollständigen Bibeltext, den Pentateuch versweise mit Targum, d.h. der versweise eingefügten aramäischen Übersetzung.

Das erste Blatt zeigt den Beginn des 1. Buch Mose: Bereschit - „Am Anfang“. Das erste Wort des Textes ist reich mit Mikrographien verziert. Mikrographien sind kleine hebräische Buchstaben in geometrischen Figuren oder Mensch-, bzw. Tierfiguren. Dieser Schmuck ist typisch für die großen aschkenasischen Handschriften des Mittelalters, von denen die „Rösel“-Bibel ein Vertreter ist.

Beim hier gezeigten zweiten Blatt handelt es sich um den Beginn des Buches Ba-midbar („In der Wüste“) – auf Latein Liber Numeri – das ist das 4. Buch Mose. Auch hier ist die Seite reich mit Mikrographien verziert.

Das folgende aufgeschlagene Blatt zeigt die Schmuckseite des Buches Ezechiel:
„Am 5. Tag des 4. Monats im 30. Jahr, als ich mich inmitten der Deportierten an Bord des Flusses Kebar befand, öffnete sich der Himmel und ich sah die Vision des Herrn.“

2. ​Band aus dem 19bändigen sog. Survivors’ Talmud, Heidelberg 1948.

Es handelt sich hier um die erste nach der Schoah auf deutschem Boden publizierte vollständige Talmudausgabe. Die talmudischen Traktate enthalten die hebräische Mishnah (erste schriftliche Fassung der mündlichen jüdischen Überlieferungen) und darunter gesetzt die in Aramäisch abgefasste Gemara (Erläuterung der Texte) ab dem 2. Jh. n.Chr.
Gezeigt werden hier das Deckblatt, die Widmung dieses Talmud an die USA für Ihre Rolle bei der Rettung des jüdischen Volkes vor der vollständigen Vernichtung und eine Textseite mit Mishna und aramäischer Gemara. (Digitalisate der Staatsbibliothek Berlin – PK)

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3. Das Buch Zohar – die erste Ausgabe aus Ost-Mitteleuropa, Lublin 1623, in aschkenasischer Quadratschrift geschrieben.

Beim Buch Zohar handelt es sich um das bedeutendste Schriftwerk der Kabbala, am Ende des 13.Jh. in Kastilien verfasst. Der Name bedeutet „(strahlender) Glanz“ und geht zurück auf biblische Texte bei den Propheten, Ezechiel und Daniel. Das Werk der jüdischen Mystik ist in einem künstlich altertümlichen Aramäisch verfasst, wohl, um das Alter der Schrift zu belegen. Es enthält vor allem Kommentare zu Texten der Tora in Form von homiletischen (die Gestaltung der Predigt betreffenden) Meditationen, Erzählungen und Dialogen. Randglossen in hebräischer Schrift belegen, wie intensiv dieses aramäischsprachige Werk studiert wurde. Aus konservatorischen Gründen konnte uns die Staatsbibliothek Berlin - PK in digitalisierter Form nur das Deckblatt zur Verfügung stellen, welches hier gezeigt wird.